Interview mit Thomas Aiginger

15:00 Sarah vom Tintenblog 2 Comments

Hey ihr Lieben,
ich konnte den sehr sympathischen Autor des Romans "Kaspar die Welt, aus der die Wolken kamen" zu einem Interview überreden. OK, zugegeben - überreden musste ich ihn nicht, aber das hörte sich jetzt einfach besser an :-D. Ich will euch aber nicht weiter auf die Folter spannen und mein Gesabbel interessiert ja auch eh keinen :)

Hallo Thomas! Schön, dass Du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Magst du uns ein wenig über dich erzählen?
Gerne. Ich bin 35 Jahre alt, lebe in Wien und im Moment gibt’s zwei Dinge, die mein Leben prägen: Einerseits meine beiden Kinder (1 und 4 Jahre), die sicherstellen, dass kein Tag vergeht wie der andere. Und andererseits die Veröffentlichung meines Romans „Kaspar“. Zum ersten Mal etwas Selbstgeschriebenes mit anderen Menschen zu teilen, ist natürlich sehr, sehr spannend und ziemlich aufwühlend. Dagegen schon fast Routine ist mein Hauptjob als Projektleiter in einem Kommunikationsunternehmen. Obwohl ich dort eigentlich die meiste Zeit verbringe.




Und wie kam dir die Idee zu Kaspar?
Mich hat eine Frage schon lange fasziniert: Wie würde ein Mensch die Welt erleben, der sie nur aus dem Fernsehen und dem Internet kennt? Dahinter steckt ja auch die Frage: Was machen die Medien mit uns? Wie würde die Welt sein, wenn wir weniger Massenmedien konsumieren würden? Oder eben noch mehr. Aus diesem Gedankenexperiment ist dann Kaspar entstanden, ein Jugendlicher, der sein Leben lang in einem Haus gefangen gehalten wird, mit der Außenwelt nur durch Fernsehen, Bücher und einen stark zensurierten Internetzugang verbunden. Bis ihm eines Tages die Flucht gelingt.

Wie lange hast du für das Schreiben gebraucht?
Die Idee spukt schon seit Ewigkeiten in meinem Kopf herum, sicher schon 15 Jahre. Und ich habe auch immer wieder Versuche gestartet, das in einen Roman zu verpacken. 2006 habe ich dann einen Entschluss gefasst: Entweder ich nehme dieses Schriftstellerding ernst oder es wird nie etwas daraus. Ich habe die Arbeitszeit in meinem „normalen“ Job reduziert und jede Woche einen Tag fürs Schreiben reserviert. Heute weiß ich, dass ich das auch brauchte, um das „Schreiben“ richtig zu lernen. Ich habe damals zwar sofort mit voller Energie begonnen, meinen Roman in den Computer zu hämmern, von der ersten Version ist aber jetzt nur noch das Grundgerüst übrig. Das heißt, die ersten Jahre habe ich mir vor allem das Handwerk angeeignet.

Hast du dir vorher alles zurecht gelegt oder spontan drauflos geschrieben?
Zuerst spontan drauf los geschrieben, dann einen Plan gemacht, wieder geschrieben, Plan umgeworfen, weiter geschrieben. Ich brauchte einige Zeit, um ein Vorgehen zu finden, das für mich funktioniert.
Für den letzten Entwurf hatte ich dann einen groben Plan des Plots und der wichtigsten 4 Charaktere. Den Rest habe ich während des Schreibens entwickelt.

Ich bin neugierig, und ich denke ‚unsere‘ Leser auch: Kannst du uns ein Bild deines Arbeitsplatzes zeigen?
Mein Schreibtisch ist eigentlich ziemlich langweilig, aber ich zeige euch zwei andere Plätze, an denen ich gerne arbeite: Der Ohrensessel vor der Wand, an der meine absoluten Lieblingsbücher schweben. Und die Terasse vor meinem Arbeitszimmer. Ich mag den weiten Himmel über mir beim Schreiben und den Blick über die Dächer der Stadt. Die vielen Menschen auf engstem Raum vermitteln eine ganz eigene Energie, finde ich.

Und hast du bestimmte Gewohnheiten, ohne die du nicht schreiben kannst, wie z.B. Musik hören?
Wichtig ist nur alles Ablenkende zu verbannen. Mein Schreibtisch muss aufgeräumt sein. Wenn es wo laut ist, höre ich klassische Musik, um die Geräusche auszublenden. Abgesehen davon schreibe ich überall und genieße die Abwechslung. Egal ob im Kaffehaus, im Zug oder wie heute auf einer Bank am Rande eines Kukurruzfeldes mit Blick über das Mühlviertel in Oberösterreich.
Ahja – Und Koffein natürlich. In jeder Form.

Ähm - ein Kukurruzfeld? Was ist das? :D 
Ein Maisfeld. Das klingt aber nicht mal halb so lustig.

Manches Mal kann man den Eindruck bekommen, dass du persönliche Meinungen eingebunden hast. So ist Kaspar der Meinung, dass Entschuldigen keine Lösung für Fehler ist – entspricht so etwas auch deiner Meinung?
Nein, ganz und gar nicht. Mich fasziniert jedes Mal, was für eine zauberhafte, reinigende Wirkung eine ehrliche Entschuldigung in einem schweren Konflikt haben kann. Vergeben können, ist eine ganz wichtige Qualität. Aber man muss diese zauberhafte Wirkung eben einmal erlebt haben. Kaspar, der keinerlei Erfahrung in sozialer Interaktion hat, kann sich einfach nicht vorstellen, was das bringen soll.

Man könnte das Buch als Kritik an unsere Mediengewohnheiten verstehen – wolltest du so etwas bezwecken oder entspricht dies nicht deiner Meinung?
Ich sehe es eher als Reflexion. Es überzeichnet die Auswirkungen von Medien ja dramatisch. Ein bisschen mache ich mich auch über die standardisierten Muster lustig, in denen Geschichten im Fernsehen oder Filmen oft erzählt werden. Aber ich würde weder Fernsehen noch seine Nachfolger im Internet verdammen. Dafür schaue ich das selbst viel zu gerne. Wichtig finde ich nur den bewussten Umgang damit.

Kaspar liebt McDonalds - du auch?
Hin und wieder gehe ich gerne hin. Aber im Gegensatz zu Kaspar kenne ich da in Wien schon noch ein paar bessere Lokale. Eines vielleicht oder zwei.

Woher nimmst du dein Wissen über die Psychologie? Hast du dir vorgestellt wie es wäre oder recherchiert?
Meine Frau ist Psychologin. In dem Bereich war die Recherche also herrlich einfach. Fast die wichtigste Erkenntnis war aber, dass nicht vorhersehbar ist, wie sich ein Mensch in der Situation Kaspars wirklich entwickeln würde. Das hat mir viel Freiheit für die Geschichte gegeben. Und was Marian alles anstellt, entspricht natürlich auch nicht den psychologischen Standards.

Denkst du, jetzt nach der Beendigung und Veröffentlichung des Romans, immer noch darüber nach, wie es mit Kaspar weitergeht? Wenn ja, kannst du uns ein wenig darüber erzählen?
Ja, vor allem in den letzten Wochen. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung seiner Geschichte hat Kaspar ja seinen Facebook und Twitter Account reaktiviert. Dort kann man verfolgen, was er jetzt so treibt. Wirklich angekommen, ist er in der Welt noch immer nicht. Die letzten Jahre war er sehr einsam. Nun versucht er  sich für seine Umgebung zu öffnen. Er sucht einen Job. Er möchte nicht mehr bloß von seiner Gefangenschaft leben, durch Auftritte in Talkshows und auf letztklassigen Show-Bühnen. Aber wieder einmal decken sich seine Träume nicht mit den Jobs, die ihm da angeboten werden.
Schauen wir, ob er so glücklich wird.

Du hast deinen Roman ja selbst veröffentlicht – ohne Hilfe von Verlagen. Oftmals werden auch sehr, sehr gute Bücher von eben jenen abgelehnt, war dieses auch bei dir der Fall?
Ja, ich habe das Buch auch Verlagen angeboten. Die Reihe von Ablehnungsschreiben ist natürlich frustrierend, aber letztendlich ein normaler Prozess, wenn man sich das Verhältnis von der Flut an eingereichten Manuskripten zu den paar Debütanten ansieht, die Verlage in einem Jahr veröffentlichen. Zum Glück gab es auch ein paar positive Rückmeldungen. Bei einem großen deutschen Publikumsverlag war ich in der zweiten Runde. Ein Lektor eines anderen Verlages hat sich mit mir zu einem ausführlichen Feedbackgespräch getroffen. Und seit der Veröffentlichung das unglaublich positive Feedback von Bloggern und meinen Lesern. Das hilft einem wieder einzuordnen, wo man steht.

Würdest du den Schritt des Selfpublishings immer noch gehen?
Auf jeden Fall. Auch wenn ein Verlag enorme Erfahrung in der Vermarktung des Buches mitbringt, die ich mir erst selbst erarbeiten muss. Ich lerne gerade im Selbstversuch, welche meiner Marketingideen funktionieren. Das macht Spaß, aber kostet Zeit, die ich manchmal lieber mit Schreiben verbringen würde. Zum Beispiel habe ich mit einem Schauspieler ein Video für eine virale Marketingkampagne gedreht und dazu eine Anwendung programmiert, die den nichts ahnenden Zuseher auf seinem Handy anruft.
Eigentlich genieße ich es aber, alle Fäden selbst in den Händen zu halten. Als Selfpublisher muss man ein wenig mehr tun, um zu beweisen, dass ein Buch gut ist, weil man nicht durch den Qualitätsfilter eines Verlages gegangen ist. Ich bin aber überzeugt, dass am Ende hier wir dort die guten Bücher erfolgreich sein werden, also jene die Menschen gerne lesen.

Lieber Thomas, ich danke dir sehr für dieses Interview! :)

2 Kommentare:

  1. wow! Tolles Interview, durch das ich erst auf das Buch aufmerksam wurde. :) (Als deine Rezi online ging, war ich grad im Urlaub.) Das Buch wandert sofort auf meine Wunschliste :)

    Liebe Grüße
    Lioba

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    1. Ich war ja total begeistert, hoffe du wirst es auch sein :)

      Liebe Grüße
      Sarah

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